Frauenwirtschaftstage
Frauenwirtschaftstage 2024
„Unternehmen im Wandel“ – Frauenwirtschaftstage in Bruchsal
Eine Übergabe muss rechtzeitig geplant werden
In Deutschland gibt es aktuell dreimal mehr Unternehmen als Nachfolgeinteressentinnen und -interessenten. Ein Engpass, der die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts negativ beeinflussen könnte. Umso wichtiger sind Aufklärung und Unterstützung. Die Bruchsaler Veranstaltung zu den Frauenwirtschaftstagen im Hubwerk01 „Unternehmen im Wandel“ lieferte beides und zudem tiefe Einblicke in Theorie und Praxis.
Für die theoretische Aufklärung war IHK-Nachfolgeberater Hauke Schmidt zuständig, der ein paar konkrete Zahlen und Angebote im Gepäck hatte: Von insgesamt 3,81 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland planen 626.000 Inhaberinnen und Inhaber bis Ende 2027 ihren Rückzug. Über eine Million der Unternehmerinnen und Unternehmer sind aktuell über 60 Jahre alt. Die Zahl der Nachfolgeinteressierten gehe dabei kontinuierlich zurück. Als Gründe für das Scheitern einer Nachfolge nannte der studierte Steuerrechtler neben dem Mangel an geeigneten Übernehmerinnen und Übernehmern die Schwierigkeiten bei der Einigung über den Kaufpreis, das Unterschätzen der zeitlichen Komponente (eine Übergabe sollte zwischen drei und fünf Jahren im voraus geplant werden), die gestiegenen Preise für Energie und Nachhaltigkeit sowie den hohen bürokratischen Aufwand.
Schmidt skizzierte den idealen Zeitstrahl für eine gelungene Unternehmensnachfolge. Beginnend mit der Sensibilisierung und dem Fällen einer grundsätzlichen Entscheidung für eine Übergabe, gehe es weiter zu den Themen Nachfolgersuche, Form der Übergabe und Unternehmensbewertung hin zu den Verhandlungen über den Preis, die Finanzierungsform und die steuerliche Gestaltung. Ganz wichtig sei dabei die Geheimhaltungsvereinbarung.
„Was den Kaufvertrag selbst betrifft, gibt es die Möglichkeit des so genannten Asset Deals, einem Vertrag über Einzelwirtschaftsgüter, bei dem nur bestimmte Vermögenswerte veräußert werden“, erzählt der Experte. „Die Alternative ist der Share Deal, bei dem die Nachfolge Gesellschaftsanteile erwirbt und die GmbH weiterführt.“ Im gesamten Prozess begleitet die IHK die Unternehmen, sie sensibilisiert und ebnet den Weg für die Spezialisten.
Den folgenden Blick in die Praxis moderierte Monika Frank, die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bruchsal.
Zwei ganz unterschiedliche Unternehmerinnen waren eingeladen, ihren persönlichen Übernahmeweg zu skizzieren.Miriam Stephan Geschäftsführende Gesellschafterin der Parfümerie Stephan und IHK-Vollversammlungsmitglied, erzählt, wie sie eigentlich nur ihr Kunststudium durch einen Job in der mütterlichen Parfümerie finanzieren wollte. Schließlich habe sie Blut geleckt, sich zur Diplomkosmetikerin und Visagistin ausbilden lassen und schließlich noch ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert. Bestens gewappnet mit Erfahrungen, die sie in Ausbildung, Studium sowie ersten Jobs in Heidelberg und bei Schneider und Söhne im Marketing gesammelt hat, stieg sie in den elterlichen Betrieb ein und gründete mit 35 Jahren die Stephan Parfum GmbH. „Mir war wichtig, dass ich dem Unternehmen meinen eigenen Stempel aufdrücke“, erklärt sie. Inzwischen hat die Parfümerie 14 Filialen und 90 Mitarbeitende. Sie führt das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Bruder. „Ich war ein wenig blauäugig. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es wichtig ist, sich Zeit zu lassen, um erst einmal anzukommen und sich zurechtzufinden.“ Auch rät Miriam Stephan zu einem Coaching. Bei Fehlern ist ihre Devise: Krone richten und weitermachen. „Insgesamt ist aber alles gut gelaufen und ich bin glücklich, ein fantastisches Team zu haben, das eigentlich eine große Familie ist.“
So sieht es auch Daniela Bechtold, geschäftsführende Gesellschafterin der big. bechtold-gruppe und IHK-Vizepräsidentin. Die studierte Wirtschaftsingenieurin ist nach einigen Jahren in München, China, USA, Spanien und einer Station bei Ernst und Young mit nur 30 Jahren als Geschäftsführerin in das elterliche Unternehmen eingetreten. Seither leitet sie die big-bechtold-gruppe mit inzwischen 3.000 Mitarbeitenden und 27 Gesellschaften. Leicht hat sie es sich nicht gemacht. „Als mein Vater mich fragte, ob ich übernehmen möchte, habe ich erst einmal um Bedenkzeit gebeten.“ Schließlich war es der familiäre Charakter des Unternehmens, in dem sie sich seit ihrer Kindheit zu Hause fühlt, die den Ausschlag gab. Allerdings musste sie sich als Tochter freischwimmen und emanzipieren. Mit Erfolg. Zukünftigen Übernehmerinnen gibt sie mit auf den Weg: „Eltern müssen loslassen können. Und man selbst muss nicht direkt alles können. Man braucht nur den Gestaltungsspielraum.“
Organisiert wurde die Veranstaltung vom Arbeitskreis „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ im Bruchsaler Bündnis für Familie, der von Monika Frank geleitet wird und dem unter anderem die IHK, die Handwerkskammer, der Jobcenter und die Wirtschaftsförderungen angehören.
IHK Karlsruhe/ Claudia Nehm